Bestattungskultur in Ägypten – Religion, Ritual und die ewige Ruhe (Teil 1)

Eine kulturelle Besonderheit jedes Landes ist seine Bestattungskultur. Im Magazin LebensZeiten, herausgegeben vom Bestattungshaus Haller, wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen. Aus diesem Grund hat sich Mohamed El-Bastawisy, interkultureller Trainer für compass international, für diesen Artikel mit Andrea Haller auf ein interessantes Gespräch getroffen.

Opulente Grabkammern, geheimnisvolle Pyramiden und Pharaonen – so oder so ähnlich stellt man sich die ägyptische Bestattungskultur vor. Doch die Mumien und zahlreichen Grabbeigaben, die man in ägyptischen Museen betrachten kann, haben mit der heutigen Bestattungskultur des Landes nichts mehr zu tun. Da mehr als 85 Prozent der Ägypter Muslime sind, ist es heute vor allem der Islam, der sie prägt.

Die Bedeutung der rituellen Waschung
Mohamed El-Bastawisy wurde selbst Zeuge der ägyptischen Bestattungskultur, als sein bester Freund starb. Bald schon stand ein muslimischer Totenwäscher vor der Tür und half den Anwesenden der Familie dabei, den Toten zunächst zu waschen, um ihn danach in ein weißes Tuch zu wickeln. Diese rituelle Waschung ist wichtig, da der Tote „zwischen den Händen Allahs“ rein erscheinen muss, ähnlich wie vor dem Gebet. Anschließend wird dessen Kopf hochgebunden, um den Mund geschlossen zu halten. Nase und Ohren werden mit Watte geschlossen, um ein Austreten von Flüssigkeit zu verhindern, welche den Toten beschmutzen könnte. Hin und wieder wird der Tote auch großzügig mit Parfum und Eau de Cologne besprüht, sodass er vor Allah gut riecht. Danach wird er in die Moschee gebracht, wo gemeinsam gebetet wird.

Hilfe durch Gebet
Von der Stuttgarter Moschee wird der Verstorbene im Anschluss zur ägyptischen Botschaft nach Frankfurt gebracht. Von dort aus wird er nach Ägypten geflogen und direkt vom Flughafen in die Kairoer Moschee überführt. Dort wird der Sarg erneut geöffnet und der Verstorbene im Tuch herausgenommen und nach Mekka ausgerichtet. Nun wird erneut gebetet. Es soll dem Toten dabei helfen, jene Fragen zu beantworten, die ihm die Engel Munkar und Nakir im Grab stellen werden. Das sogenannte „talqīn“ ist somit Gebet und Instruktion zugleich. Fragen wie: „Wer ist dein Gott?“ und „Wer ist dein Prophet?“ entscheiden, ob sich für den Toten die Pforten des Paradieses öffnen werden oder die der Hölle.

Nach dem Gebet wird der Sarg, auf den Schultern der Männer der Familie, auf den Friedhof getragen. Von den Frauen wird erwartet, dass sie sich im Hintergrund halten. Außerdem erwartet man ihr lautes Weinen und Klagen. Gleichzeitig werden sie dazu ermutigt, nicht zu verzweifeln und die Hoffnung in Allah zu legen. Dies ist eine besonders zwiespältige Angelegenheit, denn klagen sie zu leise, könnten die Nachbarn vermuten, dass sie den Toten nicht besonders geliebt haben. Klagen sie hingegen zu laut, könnten die Nachbarn vermuten, dass sie nicht gläubig sind.

Viele Beduininnen und Bäuerinnen werfen während des Gangs auch Erde auf ihre Häupter, um zu symbolisieren, dass sie sich mit dem Toten bestatten lassen möchten.