Die Trauung des Hochzeitspaares

Offiziell beginnt alles pünktlich, denn die Bedingungen für eine Hochzeitszeremonie müssen eben günstig sein. So startet diese dann auch um elf Uhr. Das Brautpaar und der Priester sitzen unter einem Baldachin auf dem Boden, während die Gäste um sie herumstehen oder sitzen.

Es ist nicht so förmlich wie in einer Kirche, wo das Brautpaar und der Pfarrer vorne stehen und die Gäste in Reihen sitzen. Hier steht man auch zwischendurch auf und unterhält sich, es gibt Kleinigkeiten für die Gäste zu essen. Immer wieder gesellen sich neue Leute dazu. Die Mutter der Braut spielt am heutigen Tag eine wichtige Rolle und ist immer wieder Teil der Rituale. So werden Opfergaben wie Reis und Lebensmittel dargebracht, anschließend wird das nächste Schälchen herumgereicht, um Geld darin abzulegen, das anschließend geweiht wird.

Viele kleine Rituale dauern nahezu den ganzen Tag. Es gibt mittags eine Unterbrechung, damit alle gemeinsam essen können – es gibt ein leckeres Buffett mit vielen Kleinigkeiten. Das Brautpaar „muss“ auch während des Essens tätig werden, denn dieses ist die Ziet, um Fotos zu machen. Das sind dann nicht unbedingt die klassischen Brautpaarfotos, bei denen das Paar mit einem Fotografen an verschiedene Orte geht, um möglichst viele unterschiedliche Bilder zu bekommen. Ganz wichtig sind nämlich die Bilder mit den Gästen oder auch nur mit der Familie der Braut, nur mit der Schwester, nur mit dem Bruder des Bräutigams, usw.

Das alles dauert natürlich gefühlt Stunden, während die beiden in dieser Zeit wieder unter einem Blumenbogen stehen, bis alle der gut 100 Gäste ihr persönliches Bild vom Fotografen bekommen haben. Nach dieser Bildermarathon geht die eigentliche Trauungszeremonie bis 17:00 Uhr weiter. Dann ist alles recht plötzlich zu Ende und beide sind nach dem hinduistischen-newarischen Ritual offiziell Mann und Frau.

Nun geht es im geschmückten Brautauto und mit lautstarker Begleitung der Wedding-Brass-Band zurück zum Elternhaus des Bräutigams. Traditionell wird die Braut von der Hochzeitsgesellschaft zum Auto und drei-, viermal ums Auto geführt. Damit wird die Braut sozusagen übergeben und das frischgebackene Ehepaar darf nach Hause fahren. In einer „Supari“ genannten Zeremonie wird die Braut in der Familie ihres Mannes willkommen geheißen. Während dieses Rituals verteilt die Braut zehn Betelnüsse an jedes Familienmitglied. Diese Nussverteilung symbolisiert die Aufnahme der Braut in die Familie.

Ankunft des Brautpaares

Die Braut wird von ihrem Schwager willkommen geheißen und bedankt sich mit den Betelnüssen

Der Hochzeitstag neigt sich mit all den Ritualen so gegen 19:00 Uhr dem Ende zu – langsam verlassen Gäste und Freunde das Haus wieder. Ein für mich wirklich spannender und aufregender Tag mit tollen Impressionen. Doch auch dem Hochzeitspaar war während der vielen Stunden die Aufregung und auch die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Am Morgen fragte ich den Bräutigam, wie es ihm geht. Er antwortete, dass er gespannt und natürlich aufgeregt sei, und auch nicht so recht wisse, was heute geschehe. Offenbar kennt auch ein Brautpaart nicht jedes einzelne Ritual im Vorhinein! Und kann nicht, wie bei einer kirchlichen Trauung noch ein Stück weit mitbestimmen, was man möchte.

Für uns war dieser Tag unterhaltsam, spannend und durchaus auch anstrengend – ungewohnt für unsere Ohren war vor allem die laute Brass-Band, die alles gegeben hat!

Das Fest

Am Samstag, drei Tage nach der Zeremonie geht es weiter! Am Abend laden die Eltern und der Bruder des Bräutigams zu einem großen Fest mit allen Verwandten und Freunden. Wer sich hier auf ein Hochzeitsfest gefreut hat, wie wir es in Deutschland kennen, weit gefehlt! Das frischgebackene Ehepaar nimmt auf einem Sofa unter einem blumengeschmückten Baldachin Platz und empfängt die Gäste, die Geschenke, Blumen und eine „khata“ mitbringen. Eine Khata ist ein Schal, der von einem Gast an seinen Gastgeber überreicht, um dem Beginn einer Begegnung eine positive Note zu geben und bei diesem Fest auch Segen und Glück für den Beschenkten symbolisieren soll.

Und wieder wird mit jedem Gast, jeder Familie ein Bild mit dem Brautpaar gemacht. Währenddessen essen und trinken die Gäste, es ist ein Kommen und Gehen, es wird viel miteinander geredet und gelacht.

Und natürlich wurden wir als „sichtbare Fremde“ viel befragt, wie man denn so eine Hochzeit bei uns feiert. Wir wurden ständig erinnert, ja genug zu essen und zu trinken und auf unzähligen privaten Bildern verewigt. Die meisten dieser Gäste waren uns fremd, dennoch waren wir mittendrin, erlebten eine unglaubliche Gastfreundschaft, Nähe und Wertschätzung für unseren Besuch, wir wurden immer wieder gebeten, den Onkel, die Tante oder einfach nur Freunde auch zu besuchen – was leider nicht möglich war. Dazu hätten wir noch ein paar Wochen dranhängen müssen!

Mein Fazit

Als interkulturelle Trainerin war ich in meinem Element! Ich habe „meiner Familie“ Löcher in den Bauch gefragt, um alles einigermaßen zu verstehen. Vieles war fremd, ich habe die Hochzeit für das Brautpaar als sehr anstrengend und irgendwie fremdbestimmt wahrgenommen und mich gefragt, ob ich so eine Hochzeit feiern wollte. Falsche Frage, denn ich schaue mit meinen deutschen Augen darauf! Das Brautpaar fand es durchaus anstrengend, gleichzeitig waren sie überzeugt, dass sich alles genauso absolut richtig anfühlt. Unsere deutsche Hochzeit, die in 10 Minuten Standesamt und vielleicht noch einer einstündigen Zeremonie in der Kirche vorbei ist, würde sich für die beiden sehr „komisch“ anfühlen!

Heißt: Interkulturelles Lernen macht Spaß – wenn man sich völlig darauf einlässt, neugierig ist, die eigene Brille absetzt und die Brille der „Anderen“ aufsetzt. Dann erst taucht man richtig in eine andere Kultur ein und beurteilt die andere Verhaltensweise nicht nach den eigenen, vermeintlich richtigen Maßstäben.

An dieser Stelle möchte ich noch gerne auf Elke Schulz und meinen Podcast mit Haltung verweisen. Wer mehr über die Rituale und Zeremonien einer nepalesischen Hochzeit erfahren möchte, sollte hier da auf jeden Fall reinhören – es gibt in Folge 1 eine Kostprobe der Brass Band!

Link zur ersten Folge: https://muellerundschulz.podigee.io/40-hochzeit-in-nepal-teil-1-ep40
Link zur zweiten Folge: https://muellerundschulz.podigee.io/41-hochzeit-in-nepal-teil-2-ep41

Doch nun zur Auflösung des Rätsels: In Deutschland wird das frisch vermählte Brautpaar beim Verlassen des Standesamtes oder der Kirche mit Reis beworfen, ein Brauch, der ursprünglich aus Asien stammt und für Glück und Wohlstand sorgen soll. Am Fuße des Himalayas gibt es eine andere Tradition: Wenn das nepalesische Paar vom Ort der Hochzeitszeremonie zurückkehrt, ist das Zuhause schon vorbereitet. Auf dem Boden sind wunderschöne Blumen gestreut und Kerzen erleuchten den Eingang. Mit einem schmuckvollen Baldachin wird das Brautpaar empfangen. Anstelle von Reis werden die beiden jedoch mit Popcorn beworfen. Dieses ist entweder süß oder salzig, jedenfalls nicht neutral. Auch von den Balkonen sah man die geplatzten Maiskörner auf die beiden regnen. Eine tolle und einzigartige Tradition, die mir im Gedächtnis geblieben ist.