„Es sind nicht die Unterschiede als solche, die Probleme und Leid hervorbringen. Es ist das, was Menschen aus den Unterschiedlichkeiten machen.“

Louise Derman-Sparks bringt es auf den Punkt. Was als ein Ansatz in der Kinderpädagogik begann, ist heute angesichts von Diversity ein unerlässlicher Punkt in Gesellschaft und unternehmerischen Welt – Anti-Bias! Weg vom Schubladendenken, Vorurteile über Bord werfen – bei sich selbst angefangen. Mit meinem heutigen Beitrag rufe ich auf, in sich zu gehen und zu reflektieren. Über was? Das kommt jetzt …

Wer kennt sie nicht. Die Stereotypen. Der Deutsche trägt Socken in Sandalen. Der Franzose macht nur Urlaub im eigenen Land. Der Brite trinkt Tee mit Milch. Der Schwede ist blond. Männer weinen nicht. Frauen können kein Autofahren. Und so weiter und so fort. Schubladen. Vorurteile. Alle über einen Kamm geschert und bewertet. Ok, das war jetzt bisschen provokant, aber Menschen mit gewissen Gemeinsamkeiten werden in Kategorien gesteckt. Das ist einerseits ganz sinnvoll, da es überfordern würde, jeden Menschen in jeder Situation als Individuum zu betrachten, in Unternehmen hingegen darf so eine Vorgehensweise jedoch nicht geschehen. Und im privaten Umfeld ebenso wenig.

Mit Anti-Bias gegen Stereotypen und Diskriminierung

Bias bedeutet Schieflage oder Voreingenommenheit. Mit dem Anti-Bias Ansatz von Louise Derman-Sparks lernt man, wie man es schafft, Kinder so zu erziehen, dass sie keine Vorurteile entwickeln. Insbesondere im Hinblick auf Rassismus. Also bereits „in der Wiege“ zu verhindern, dass Menschen in Schubladen gesteckt werden, ohne das „Warum“ zu hinterfragen.

Nun treffen wir in Unternehmen grundsätzlich auf Menschen, die der Wiege schon länger entfleucht sind. Was aber nicht heißt, dass es zu spät wäre, Vorurteile wieder zu verlernen bzw. ent-lernen, wie ein Seminarteilnehmer vom mir mal so schön formulierte.

Anti-Bias setzt wohlwollendes und neugieriges Draufeinlassen voraus – vor allem bei sich selbst

Anti-Bias in der „Erwachsenenpädagogik“ – kommt ja aus der Kinderpädagogik – setzt bei jedem einzeln an. Und wie immer bei der Frage nach der eigenen Identität. Aus welchen Schnipselchen setzt sie sich zusammen? Welche kulturelle Prägung habe ich? Aus welcher Familie komme ich? Mit welcher Beziehung bin ich groß geworden? Mit welchen Werten, Einstellungen und Glaubenssätzen? Welche Privilegien habe ich? Und was machen diese mit mir?

Sich insbesondere der Frage nach den eigenen Privilegien bewusst zu werden, macht einen Großteil von Anti-Bias aus. Wir suchen es uns nicht aus, in welche Familie wir geboren werden, auf welchem Kontinent, in welches Land und welche Region. Wir haben keinen Einfluss darauf, ob wir in eine Familie in Stuttgarter Halbhöhenlage oder die Banlieues von Paris. Wir können nichts dafür und haben doch so einen unterschiedlichen Start ins Leben. Ich muss gestehen, es gab durchaus schon Situationen, in denen ich mich meiner Privilegien wegen geschämt habe. Und ich komme aus einer normalen deutschen Familie.

Mache Dir Deinen Standpunkt bewusst

In meinen Seminaren mache ich gerne eine kleine Übung. Die Teilnehmer werden nach einer Kategorie in einer Reihe aufgestellt – meist nach Geburtsdatum. Vorne steht ein Papierkorb und die Teilnehmer stehen wie in einer Warteschlange hintereinander. Nun soll jeder was in den Korb werfen. Jeder Treffer erhält eine kleine Belohnung. Die Vorne treffen sicher – die hinten beschweren sich grundsätzlich, wie unfair es wäre, schließlich hätten sie es viel weiter, kein Wunder, dass man nicht treffen könne … Tsja, und ganz schnell ist verstanden, wie ungerecht die Welt zugeht mit ihren Privilegien …

Ich empfehle, mal einen Privilegientest zu machen. Die gibt es online, u.a. von Harvard. Man ist erstaunt, was da so ans Tageslicht kommt, was einem nicht bewusst ist. Und sich dann zu überlegen: Was hängt da alles mit dran? Was hat es mir ermöglicht? Privilegierte haben eine gewisse Macht, aber ich meine jetzt nicht die, um andere auszunutzen, sondern um anderen zu helfen. Man kann durchaus seine Macht dafür verwenden, etwas zu bewegen und andere zu ermächtigen.

Nutze Deine privilegierte Stärke und tue Gutes für die weniger Privilegierten

Der Anti-Bias-Ansatz gesagt genau dies: Mache etwas gegen die Schieflage. Bringe das Ungleichgewicht in ein Gleichgewicht. Dafür braucht es weder ein Studium noch eine lange Ausbildung, sondern Schneid und Gespür: „Hey, hier läuft was gerade blöd. Warum haut der jetzt einen sexistischen Spruch der Armen um die Ohren?“ Und jetzt nicht weglaufen, sondern der Kollegin zur Seite stehen, sie nicht alleine lassen, Stellung beziehen. Manchmal löst es sich dann auch auf, dass der Verursacher erschrocken ist und es gar nicht so meinte – und wenn doch, merkt er, dass er nicht weit kommt …

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