Gehaltsgespräche mit indischen Mitarbeitenden

In den letzten beiden Blogs tauchte das Thema „Gehaltsforderung“ von Prateek auf, der in diversen Gesprächen mit seinem Chef Achim Häberle schon mal angedeutet hat, dass er „deutlich mehr“ verdienen möchte. Und tatsächlich hören wir immer wieder von Kunden, die indische Mitarbeitende beschäftigen, dass diese mit Forderungen von bis zu 20% mehr Gehalt in Gespräche reingehen. Warum ist das eigentlich so? Nun, wie oft kommt hier die indische Kultur und der indische Arbeitsmarkt ins Spiel.

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Die Familie

Kinder werden in Indien sehr geliebt und die Familie investiert oft sehr viel Geld in eine gute Ausbildung. Viele Colleges oder Hochschulen sind privat und in vielen Fällen besser angesehen oder international bestens anerkannt. Und so entsteht die erste Erwartung in der Familie: Wenn wir viel Geld investieren, wird sich das wieder auszahlen in Form eines guten Gehaltes, von dem die ganze Familie profitieren wird. Die zweite Erwartung liegt im „Status“: Je besser die Ausbildung und der Job, desto höher die Anerkennung in der Gesellschaft und damit der Familie. Auch der Heiratsmarkt spielt dabei eine Rolle!

In indischen Familien ist das „Spoon Feeding“, sprich eine Art „Überversorgung“ der Kinder, die Regel. Das bedeutet, Entscheidungen werden von den Eltern bzw. der gesamten Familie getroffen. Das schafft eine enorme Loyalität und einen genauso hohen Erwartungsdruck.

Hierarchie in den Unternehmen & ein nahezu endloser Bewerber*innen-Markt

Zu den Erwartungen der Familie kommt ein enormer Konkurrenzdruck aus dem Markt, dem jährlich Millionen von Absolvent*innen zur Verfügung stehen. „Automatische“ Beförderungen sind eher die Ausnahme. Dafür wird gerne und oft die Stelle gewechselt, um Karriere zu machen und vor allem, um mehr Gehalt zu bekommen. Aber: Wer wirklich Karriere machen will, muss extrem gut sein! Bei mehr als 500.000 Absolvent*innen alleine von den technischen Colleges und Hochschulen ist der Konkurrenzdruck mehr als hoch!

Inder*innen haben eine hohe extrinsische Motivation, sprich, es braucht eine „ständige Belohnung“, verbunden mit der Grundhaltung „Ich kann das!“. Nimmt man all das zusammen, entsteht der Fakt, dass ein Jobwechsel für ein höheres Gehalt an der Tagesordnung ist.
Der patriarchalische Führungsstil unterstützt ein Stück weit das System: Er fordert – wie die Familie – hohe Loyalität, bietet dafür jedoch viel Lob und Belohnung. Passt das nicht mehr zusammen, wird ein neuer Job gesucht.

Indische Gehälter

Bei den indischen Gehältern gibt es alles zwischen

  • € 300,-- für einen „Fresher“, sprich die College-Abgänger*innen,
  • € 1.500,-- für Software-Ingenieur*innen mit Berufspraxis,
  • in Metropolen wie Bangalore, Delhi und Mumbai kann man auch gut und gerne nochmal 30 % drauflegen.

Gehaltsteigerungen von 10% für Ingenieur*innen, Software-Entwickler*innen usw. sind die Regel, bei Führungskräften dürfen es auch mal 20% im Jahr sein.

Also ist es verständlich, dass Pankej diese Vorstellungen auch mit nach Deutschland brachte und mit einer ordentlichen Forderung in sein Feedbackgespräch gehen wird.

Aber es ja nicht nur das Gehalt …

In Indien spielt die Familienorientierung eine enorme Rolle und wird auch in den Unternehmen gelebt. Der Chef, die Chefin kümmern sich um die Mitarbeitenden und damit spielen zusätzliche Benefits, Allowances und Incentives eine enorme Rolle. Denn darüber können sich die Unternehmen unterscheiden und zumindest eine gewisse Mitarbeiter*innen-Bindung aufbauen.

Übliche Allowances sind zum Beispiel:

  • Schulgeld für die Kinder
  • Medizinische Versorgung der Familie
  • Rentenbeiträge / Zusatzversicherungen
  • Kosten für Hausangestellte
  • Reisekosten für Besuche der Familie(n)

Incentives können sein:

  • Weiterbildungen
  • Firmenwagen
  • Fahrer für den Firmenwagen

Jetzt können wir das ja nicht so nach Deutschland übertragen?!

Nein, aber wir können die bestehenden Benefits klar aufzeigen, zum Beispiel angefangen bei einem deutschen unbefristeten Arbeitsvertrag, den Karrieremöglichkeiten, …. Und wir müssen schon im Onboarding-Prozess darüber sprechen, was zum Beispiel Tarifgehälter sind, wie das funktioniert und was noch verhandelbar sein kann. Oder ob es regelmäßige Entwicklungsgespräche gibt und warum. Oder wann es überhaupt Gehaltserhöhungen gibt. Und nicht zu vergessen sind Weiterbildungen, die die Mitarbeitenden erhalten: Zertifikate sind durchaus Statussymbole!

Wichtig ist, dass diese Botschaften identisch bei allen indischen Mitarbeitenden kommuniziert werden. Die indischen Kolleg*innen tauschen sich aus und werden Sie mit unterschiedliche Aussagen, die Sie gemacht haben, konfrontieren.