Recruiting beginnt beim Text: mit der richtigen Stellenausschreibung die richtigen Leute erreichen

Wieso bleiben so viele Stellen unbesetzt, obwohl sie doch angeblich so attraktiv sind? Vielleicht liegt es nicht nur am viel beschworenen Fachkräftemangel. Vielleicht liegt es auch an Stellenanzeigen, die entweder völlig überladen oder erschreckend leer sind. An Botschaften, die niemanden erreichen. An Wunschlisten, die mehr mit Märchenfiguren als mit realen Menschen zu tun haben. Willkommen in der Welt der Jobausschreibungen: zwischen Überforderung und Understatement.

Zwischen Superheldin und Phantom: Wer soll sich hier eigentlich bewerben?

Viele Stellenanzeigen lesen sich wie das Wunschkonzert eines überambitionierten Recruiters. Gesucht wird die eierlegende Wollmilchsau mit zehn Jahren Erfahrung, drei Sprachen, Begeisterung für Excel und Leidenschaft für TikTok. Gleichzeitig gibt es Ausschreibungen, die so vage sind, dass man bis zur dritten Zeile nicht weiß, ob man sich für einen Außendienstjob oder eine interne Stelle bewirbt. Kein Wunder, dass sich viele Bewerber*innen fragen: Bin ich überhaupt gemeint? Und ebenso wenig verwunderlich ist die anschließende Enttäuschung der Unternehmen: kaum Bewerbungen, kaum passende Talente. Dabei wäre der erste Schritt ganz einfach. Und der beginnt mit Klarheit und einem Verständnis für die eigene Zielgruppe.

Zielgruppenorientierung mit der Candidate Persona

Wer Menschen gewinnen will, muss wissen, mit wem er spricht. Was im Marketing selbstverständlich ist, fehlt im Recruiting häufig: die genaue Zielgruppenanalyse. Candidate Personas helfen hier enorm. Sie geben zum Beispiel einer fiktiven Bewerberin ein Gesicht, einen Lebensstil, Werte und Wünsche. Aus der „technisch versierten Mechatronikerin“ wird „Luisa, 24, sportlich, engagiert bei der Freiwilligen Feuerwehr und auf der Suche nach einem sinnstiftenden Job mit Entwicklungspotenzial“.

Diese Persona ist nicht nur Spielerei, sie bestimmt maßgeblich, wie die Ausschreibung formuliert wird, welche Medien zur Bewerbung genutzt werden sollten, welche Tonalität passt und sogar, wie das Onboarding später aussehen muss. Wer beispielsweise Digital Natives sucht, sollte auch mit App-basiertem Onboarding arbeiten. Wer Quereinsteiger*innen gewinnen will, muss mehr Schulungen und Informationen anbieten. Für internationale Fachkräfte braucht es interkulturell durchdachte Prozesse.

6 Schritte zur perfekten Candidate Persona

Ein systematischer Weg zur Entwicklung von Personas lohnt sich und beginnt im eigenen Unternehmen, bevor es extern weitergeht:

  1. Analyse der bisherigen Top-Bewerber*innen: Welche Kompetenzen und Eigenschaften bringen die erfolgreichsten Kolleg*innen mit? Was davon ist „Must-have“, was vielleicht nur „Nice-to-have“?
  2. Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden: Was treibt sie an? Welche Werte vertreten sie? Wie erleben sie das Unternehmen?
  3. Kreatives Brainstorming im Team: Wenn wir uns unseren idealen Kollegen bzw. unsere ideale Kollegin „backen“ könnten, wie wäre er oder sie? Welche persönlichen Eigenschaften wünschen wir uns?
  4. Konkurrenzbeobachtung: Was machen Wettbewerber in ihren Anzeigen anders und vielleicht auch besser?
  5. Bildungseinrichtungen befragen: Wie beschreiben Hochschulen und Kammern die Anforderungen an Absolvent*innen?
  6. Social Media nutzen: Wie präsentieren sich potenzielle Kandidat*innen und wie das eigene Unternehmen?

Was gehört in eine moderne Stellenanzeige?

Eine starke Stellenanzeige beantwortet die Kernfragen:

  • WER sucht? (kurze Vorstellung des Unternehmens)
  • WEN sucht das Unternehmen? (klare Jobbezeichnung, keine Abkürzungen oder Insiderbegriffe)
  • WAS wird erwartet? (realistische Aufgaben und Anforderungen, keine Superkräfte)
  • WAS wird geboten? (Benefits, Kultur, Gehaltsspanne: Transparenz wirkt!)
  • WIE läuft der Bewerbungsprozess ab? (klarer Call-to-Action, Bewerbungsweg, Fristen)
  • WIE sieht das Onboarding aus? (Einblicke, Begleitung, Entwicklungsmöglichkeiten)

Weg mit Floskeln wie „Teamfähigkeit“ oder „interessante Projekte“, denn das klingt nach 1998. Stattdessen lieber konkret werden: Warum sind bestimmte Eigenschaften wichtig? Wie wird Teamarbeit wirklich gelebt? Und was unterscheidet die Stelle von anderen?

Sprache, Stil & Realität: Bitte kein Fake-Flair

Die Frage, ob man in der Stellenanzeige duzen oder siezen soll, ist nicht banal. Entscheidend ist, was zum Unternehmen passt. Wer per „Du“ kommuniziert, im Arbeitsalltag aber auf steile Hierarchien setzt, enttäuscht Erwartungen und verliert Talente direkt wieder. Und bitte keine Übersetzungen über KI-Tools für internationale Ausschreibungen. Hier braucht es Muttersprachler*innen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Weniger Wunschliste, mehr Wirklichkeit

Stellenanzeigen sind oft der erste echte Kontakt zu einem Unternehmen, und dieser erste Eindruck zählt. Wer authentisch, konkret und zielgerichtet kommuniziert, erhöht die Chance, genau die Menschen anzusprechen, die wirklich passen. Das ist kein Hexenwerk, sondern ein strategischer Prozess, der von der Entwicklung der Candidate Persona über die Wahl der Sprache bis hin zum Feinschliff in der Anzeige reicht.

Also: Wie würde eure perfekte Ausschreibung aussehen, wenn ihr sie für euch selbst schreiben dürftet?

Und wenn es dann im nächsten Schritt ums Onboarding geht? Die wichtigsten Stellschrauben für modernes Onboarding, zahlreiche Praxistipps und konkrete Handlungsempfehlungen findest du in unserem neuen, kompakten PDF „Rein ins Boot“.

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