Stereotype im interkulturellen Training
Kein leichtes Thema – auf der einen Seite arbeiten die meisten interkulturellen Trainings mit Stereotypen. Da stellen wir die „Deutschen“ den „Amerikanern“ gegenüber, wohl wissend, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist. Und gleichzeitig sollte das Ziel des Trainings sein, diversitätsbewusst und vorurteilsfrei mit den internationalen Kund*innen, Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen umzugehen.
Es hilft ein bisschen, sich bewusst zu machen, dass es eine gewisse kulturelle Prägung gibt. So kommunizieren mit Sicherheit die meisten Deutschen sehr direkt. Das macht unsere Sprache so möglich, wir nehmen dies in der Literatur wahr, die wir lesen und so erlernen wir dieses Kommunikationsmuster von der Kindheit an.
Schaut man sich die Kurve der Normalverteilung an, ist es so, dass die meisten Deutschen (Kultur A) direkt kommunizieren. Gleichzeitig geht man davon aus, dass eine Kultur B, beispielsweise Indien, eher indirekt kommuniziert. Das bedeutet, dass wenn diese beiden Kulturen aufeinandertreffen, wenig bis gar keine Überschneidungen in diesem Kommunikationsmuster gegeben sind. Gleichzeitig muss der Einzelfall stets mitgedacht werden. Denn natürlich gibt es die eher indirekt kommunizierende deutsche Kollegin, die mit einem eher direkt kommunizierenden indischen Kollegen zusammenarbeitet und die Schwierigkeiten, von denen andere im Team sprechen, nie erlebt hat.
Orientierung versus Komplexität
So bewegt sich jedes interkulturelle Training in diesem Dilemma: Einfache Orientierung versus Komplexität der Situationen. Stereotype (griech.: starres Muster) sind in einer überaus komplexen Welt äußerst hilfreich, denn sie kategorisieren und ordnen ein.
Gleichzeitig ist der Grad äußerst schmal, wann Stereotype zu Vorurteilen werden und somit ausgrenzen und unsere Wahrnehmung zu stark einengen. So kann eine Abgrenzung und eine Bewertung gegenüber „den Anderen“ erfolgen, indem wir Fremden bestimmte Eigenschaften einzig alleine aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zuschreiben. Dann sind wir bei dem Thema „Vorurteile“. Diese sind im Gegensatz zu Stereotypen von Emotionen begleitet und haben eine wertende Komponente. Das bedeutet, wir müssen uns darüber klar sein, dass wir mit jedem Handeln Bewertungen vornehmen bzw. Werte setzen.
Die kritische Auseinandersetzung mit Stereotypen und Vorurteilen gehört definitiv in ein interkulturelles Training. Wenn die Teilnehmenden sich bewusst werden, welche Stereotypen sie im Kopf haben, wo diese ihren Ursprung haben, wann und wie diese zu Vorurteilen werden können, gelingt die kritische Auseinandersetzung damit. Es ist immer wieder entscheidend diesen Bogen zu schlagen und nicht bei „Italiener kommunizieren laut“ stehen zu bleiben.
Ein paar interessante & vertiefende Links
In Internet gibt es viele Beispiele sogenannter „Landkarten der Vorurteile“. Hier finden Sie durchaus wahre, lustige oder bittere Beispiele, was wir über andere denken und umgekehrt. Sie können zu einer kritischen Auseinandersetzung und zu guten Gesprächen mit den internationalen Kolleg*innen in diesem komplexen Thema anregen.
- Die Google-Karte der Vorurteile: blogoscoped.com/prejudice/
- Oder die Homepage des Grafikers Yanko Tsvetko mit seinem Projekt „Mapping Stereotypes“: alphadesigner.com/mapping-stereotypes/
- Einen wissenschaftlichen Text zu diesem Thema finden Sie hier bit.ly/3gQ8lp8 In dem Beitrag „Die Bedeutung von Vorurteil und Stereotyp im interkulturellen Handeln“ liefert der bekannte Psychologe Alexander Thomas einen umfassenden Forschungsüberblick zu Stereotypen und Vorurteilen.