Warum Sie mit: „Was sind die wichtigsten Dos & Don’ts in der Zusammenarbeit mit uns Deutschen?“ nicht allzu weit kommen

Eine Anfrage für ein interkulturelles Training bei uns wird häufig von der Frage begleitet: „Mal unter uns: Können Sie mir die wichtigsten 10 Dos & Don‘ts in der Zusammenarbeit mit „uns Deutschen“ aufzählen?“ Ich frage mich: Glauben viele tatsächlich, dass eine in Japan „falsch“ überreichte Visitenkarte ein Geschäft zum Scheitern bringt?

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Natürlich gibt es in jedem Land, in jeder Kultur, Verhaltensregeln, die sehr wichtig sind und die man kennen sollte. Die Verletzung der Etikette kann sehr peinliche Folgen haben. Viele dieser Etikette-Regeln hängen allerdings an tiefer verankerten Verhaltensmustern einer Kultur. Um beim Beispiel Japan zu bleiben: Natürlich wäre es ein großer Fauxpas, eine Mitarbeiterin vor dem Chef zu begrüßen. Das hat aber recht wenig mit einem einfachen Don’t zu tun als viel mehr mit dem japanischen Verständnis von Hierarchie.

Das bedeutet also, dass ein interkulturelles Training für Japan von uns intensiv das Thema „Hierarchie“ bearbeitet, das sich sehr von unserem deutschen Verständnis unterscheidet. Wenn die Teilnehmenden das verstanden haben, werden sie zum Beispiel bei einer Begrüßungsrunde automatisch darauf achten, bestehende Hierarchien einzuhalten. Klar, die Auseinandersetzung mit dem Thema Hierarchie dauert länger als das Verkünden einer Regel: „Begrüße die hierarchisch höherstehenden Personen immer zuerst.“ Habe ich aber das Konzept von Hierarchie verstanden, kann ich dieses auf völlig unterschiedliche Situationen anwenden oder kann mir bis dato „unverständliche Begebenheiten“ erklären.

Ich möchte nicht in Abrede stellen, dass Etikette im internationalen Umfeld ein wichtiges Thema ist, um nicht in jedes Fettnäpfchen zu treten. Hat man allerdings mal ein Fettnäpfchen erwischt, kann man dieses in einem Gespräch zum Thema machen: „Ich habe gemerkt, dass ich heute wohl einen Fehler gemacht habe. Was sollte ich denn künftig beachten?“ oder „Es tut mir leid, dass ich wohl einen Fehler gemacht habe. Erklärst du mir, wie es richtig geht?“ Und oft haben solche Fehler oder Missverständnisse ja auch humorvolle Seiten, so dass man gemeinsam darüber lachen kann – was gut für den Beziehungsaufbau ist!

Man findet noch immer unzählige Ratgeber und Webseiten mit „Die 10 Do’s and Don’ts für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Indien“. Leider denken noch immer zu viele, dass sie damit das Wichtigste wissen und wundern sich, wenn die Zusammenarbeit doch nicht so gut funktioniert, es unverständliche Verhaltensweisen gibt oder „ihr Inder“ so ganz anders tickt. Meist folgt darauf, dass „dieses interkulturelle Thema nichts bringt“, was nicht nur schade ist, sondern auch zukünftige interkulturelle Zusammenarbeiten erschwert.

In einem interkulturellen Training sollte es also nicht um die Vermittlung von Rezepten gehen, sondern darum:

  • wie wir Stereotype oder Vorurteile abbauen können,
  • wie die tieferliegenden kulturellen Muster und Konzepte aussehen,
  • woher diese kommen
  • und wie wir selber damit kultursensibel und diversitätsbewusst umgehen können.

Das Überreichen der Visitenkarte kann natürlich gerne nach der Mittagspause eines Seminars ausprobiert werden. Oder es lässt sich trefflich eine formelle japanische Sitzordnung anstatt eines Gesprächskreises einnehmen. Oder eine Teezeremonie anstelle der allseits bekannten Kaffeepause einbauen – dem Üben sind selbstverständlich, nachdem die Grundlagen geklärt sind, keine Grenzen gesetzt.