Wie ein Fluss im Meer aufgeht – indische Bestattungskultur Teil 1

Zu den kulturellen Besonderheiten eines jeden Landes gehört auch seine Bestattungskultur. Wir hatten in diesem Jahr schon einen Zweiteiler zur Bestattungskultur in Ägypten veröffentlicht und wenden uns in den folgenden Blogs Indien zu. Auch für diesen Artikel hat Andrea Haller einen unserer interkulturellen Trainer, Paresh H. Patel, interviewt.

Paresh Patel ist in Herrenberg geboren und dort aufgewachsen. Sein Vater kam in den 1960er-Jahren aus Indien nach Deutschland, um Chemie zu studieren. Er hat promoviert und eine Deutsche geheiratet. Paresh Patel ist in beiden Kulturen ganz zuhause, der indischen und der deutschen. Wenn er über Deutschland spricht, sagt er „bei uns“. Wenn er über Indien spricht, sagt er auch „bei uns“. Er studierte Außenwirtschaft in Reutlingen, ist in vielen indisch-deutschen Gremien aktiv und seit fast 20 Jahren Teil unseres Trainerpools.

Ende der 1970er-Jahre zog die Familie für mehrere Jahre nach Mumbai, das damals noch Bombay hieß. Wegen Pareshs Großmutter, genannt „Ba“, die schwer erkrankt war. Als ältester Sohn übernahm es Pareshs Vater, sich bis zu ihrem Tod um sie zu kümmern.

Paresh Patel erzählt: „Die letzten Wochen ihres Lebens wollte sie aber nicht in Bombay, sondern in ihrem Heimatdorf verbringen. Bei Verwandten und alten Freunden. Es war ihr wichtig, sich gut verabschieden zu können. Ba wollte eine traditionelle Bestattung. Auch darum kümmerte sich mein Vater gemeinsam mit der Familie. Eine traditionelle Bestattung bedeutet dort: eine öffentliche Verbrennung mit ausgesuchten, wohlriechenden Hölzern. Oft wurde damals Sandelholz verwendet. So ein Holzhaufen muss mindestens einen Meter hoch sein und sollte doppelt so lang sein wie der Körper. Zuvor wurde Ba zuhause aufgebahrt. Priester kamen und halfen uns, denn Teil der Aufgabe eines Priesters ist es in Indien auch, die ganz praktischen Fragen rund um die Bestattung vorzubereiten. Schließlich ist er ist nicht nur für die spirituellen Elemente verantwortlich.

Lange dürfen Verstorbene nicht zuhause bleiben, nach ein oder zwei Tagen spätestens wird der Leichnam eingeäschert. Die Priester und ein paar weibliche Familienmitglieder wuschen sie mit Wasser und rieben ihren Körper mit Ölen ein. Dabei werden verschiedene Kräuter verwendet, um dem Geruch vorzubeugen. Man zog ihr einen einfachen, weißen Baumwoll-Sari an, zusätzlich wurde sie in feuchte Tücher gehüllt, um den Leichnam kühl zu halten. Nachbarn und Familie kamen, um sich zu verabschieden. Viele haben sie an den Füßen berührt. Das ist ein Zeichen der Ehrerbietung.“

Es ist üblich, dass während der Aufbahrung die männlichen Familienmitglieder immer am Kopf, die Frauen zu den Füßen stehen. Immer wieder sprenkelt man heiliges Wasser, am besten aus dem Ganges, über den Leichnam. Wenn es einem Inder irgendwie möglich ist, versucht er, vor seinem Tod an den Ganges zu gelangen, um sich dort im heiligen Wasser zu waschen. Das Wasser aus dem Ganges wird auch getrunken. Im Hintergrund wurde gesungen und gebetet. Diese Gebete sind von Familie zu Familie unterschiedlich, es gibt kein einheitliches Gebet, das für alle Verstorbenen gesprochen wird.

Die Farbe der Trauerkleidung ist in Indien weiß. Zudem rasieren sich die engsten Familienmitglieder außerdem die Haare, Frauen wie Männer. Dagegen ist es in anderen indischen Regionen üblich, dass sich Männer in Zeiten der Trauer die Haare gar nicht schneiden.

Am Ende werden Tote von den Priestern mit Rosen- und Tagetesblättern bedeckt und mit den Füßen zuerst hinausgetragen. Der Kopf ist in Indien der Sitz der Seele. Und dieser Teil des Körpers soll als letztes das Haus verlassen. Die Füße machen sozusagen den Weg frei für den Geist, der folgt.

In der nächsten Folge begleiten wir die Großmutter „Ba“ von Paresh Patel zur Verbrennung.

Kleine Randnotiz zum Schluss: Es gibt geschätzt 20 Millionen Patels auf der Welt. Im englischen Telefonbuch ist Patel der häufigste Name, häufiger als Smith. Die Patels sind zwei Kasten zugeordnet, der Aristokratie und dem Großbürgertum, sowie in viele, viele Unterkasten. Meist waren die Patels Landbesitzer.

Weitere spannende Einblicke in diesen sehr persönlichen Teil von Kultur bietet auch das Magazin LebensZeiten (<LINK bestattungshaus-haller.de/magazin-lebenszeiten/&gt;https://bestattungshaus-haller.de/magazin-lebenszeiten/</link>) des Bestattungshauses Haller.