Willkommenskultur und Gastfreundschaft: Das können wir doch besser!

Willkommenskultur und Gastfreundschaft sind Themen, die hier keine richtige Lobby haben. Dabei sind sie so mächtig, wenn es darum geht, Deutschland global zu denken. Warum tun wir uns manchmal so schwer damit und was können wir von anderen Kulturen lernen? In unserem Podcast diskutieren Elke und ich heute darüber, wie wir uns öffnen können, damit der deutsche Willkommensgruß nicht nur eine Floskel bleibt.

Shutterstock.com | Jacob Lund

Sachliche vs. persönliche Themen: Wo fängt die emotionale Ebene an?

Willkommenskultur und Gastfreundschaft sind eng mit der kulturellen Prägung eines Landes verbunden. In Deutschland sind wir eher sachorientiert und individualistisch. In einer solchen Gesellschaft spielen persönliche Themen öfter eine untergeordnete Rolle. In anderen Kulturen, die eher beziehungsorientiert sind, steht das persönliche Kennenlernen im Vordergrund. Menschen nehmen sich dort mehr Zeit, um persönliche Details von anderen zu erfahren und sie so näher kennenzulernen. In unserer Gesellschaft unterhält man sich erst mal lange Zeit über neutrale Themen, bevor sich ein Blick ins Privatleben ergibt.

Zurückhaltung und Ängste: Warum fällt es uns schwer, auf die persönliche Ebene zu kommen?

Ein Grund, persönliches erst mal außen vor zu lassen, liegt in unseren Erfahrungen und Ängsten. Oft sind wir vorsichtig und zurückhaltend, um möglichen Enttäuschungen vorzubeugen. In unserer sachorientierten Gesellschaft haben wir gelernt, uns abzugrenzen und persönliche Informationen nur begrenzt preiszugeben. Das führt manchmal zu einer gewissen Distanz und erschwert es, schnell auf die emotionale Ebene zu wechseln.

Aller Anfang ist schwer

Zeit ist wertvoll. Wer will schon alles lang und breit erklären? Daher wird vor allem auf der sachlichen Ebene erwartet: Was einmal erzählt wurde, sollte sitzen. Und das ist manchmal ganz schön viel auf einmal und die Fremdsprache tut ihr Übriges. In einer ungewohnten Umgebung ist nahezu alles neu und vieles sogar verwirrend, daher sollte hier vor allem Nachsicht herrschen. Oft reicht es schon, den Leistungsdruck zu verringern. Denn wer alles sofort kapieren soll, muss sich nicht nur jedes Detail merken, sondern wird daran auch noch gemessen. Hier hilft es beiden Seiten, entspannt ein paar Schleifen mehr zu drehen und sich so vielleicht auch persönlich besser kennenzulernen.

„Frag doch!“: Erwartungen als Nährboden für Missverständnisse

Was es heißt, sich in einer neuen Kultur zurechtzufinden, wird schon beim Gedanken an einen Jobwechsel klar: Welche unausgesprochenen Regeln gelten und wie werden alltägliche Dinge gehandhabt? Also wohin mit der Kaffeetasse und wer stellt wann die Spülmaschine an? Bei solchen Themen herrscht oft die „Info-Holschuld“: Wer es nicht weiß, fragt am besten nach. Was im ersten Moment logisch klingt, ist aber häufig zu kurz gedacht. Denn wer gar nicht weiß, dass es überhaupt eine Spülmaschine gibt und dass sich die Team-Mitglieder die Verantwortung darüber teilen, kommt nicht dazu, die Abläufe zu erfragen. Hier hilft ein Perspektivwechsel und die Fragen: Wie können Grundlagen gelegt werden, die als erste Handreichungen dienen? Denn Gastfreundschaft bedeutet auch, für das Gegenüber mitzudenken. Sensibel dafür zu sein, wo verborgene Stolpersteine und unerkannte Fettnäpfchen lauern. Und Hinweise zu geben, schon bevor etwas schiefläuft – egal, ob im Privatleben oder beruflich.

Integration heißt Interaktion

Oft sind Gäste und Neulinge dankbar dafür, wenn ihnen der erste Schritt bei der Kontaktaufnahme abgenommen wird. Unverfängliche Fragen wie „Was fehlt dir gerade?“ oder „Was verstehst du nicht?“ bauen erste Brücken und zeigen ehrliche Hilfsbereitschaft. Und auch das klappt sowohl auf der sachlichen als auch auf der persönlichen Ebene. Denn in fremden Umgebungen ist alles neu und jeder gute Hinweis Gold wert. Sich in die andere Person reinzudenken ist eine erfreuliche Geste und zeigt Offenheit, Toleranz und Respekt für kulturelle Vielfalt. Hilfreich ist die Reflexion: Was verkörpern wir, was kann der andere nachvollziehen und wo müssen noch Basics gelegt werden? Das Bewusstsein für diese Unterschiede manifestiert sich in unserer Haltung und dem respektvollen Umgang mit Fremden. Denn letztendlich ist Willkommenskultur nicht nur das Recht eines Fremdlings, sondern auch eine Bereicherung für uns alle.

Noch mehr zum Thema Haltung? Dann empfehlen wir unseren Podcast „Müller & Schulz – Der Podcast mit Haltung“. Jeden Dienstag gibt es eine neue Folge frisch auf die Ohren!